Der feuchte Keller
Jan Hanser sucht nach Licht in muffigen Katakomben.
In dem Haus, in dem ich seit Neuestem wohne, schlugen im Zweiten Weltkrieg Fliegerbomben direkt im Eingangsbereich ein. „Et war en riesiges Loch. Dat klaffte inner Wand.“, berichtet mir die ältere Dame aus dem Erdgeschoss. „Ne zweite Bombe hat direkt hinter Ihnen eingeschlagen.“ Sie sagt das, als wär‘s eben passiert und ich blicke erschrocken nach hinten. „Da konnten Se bis inne oberste Etage gucken.“ Ich wende meinen Blick nach oben. „Darum is der Keller auch so feucht“, sagt sie. Ich wende meinen Blick nach unten und schrecke auf. „Der Keller ist feucht?“, frage ich naivdumm. „Se ham doch nich etwa wat rin gestellt?“ „Ich geh mal nachsehen“, sage ich eilig und flitze die ausgetretenen Holzstiegen nach unten.
Es mieft mir schon entgegen, als ich die klamme Holztür zum Keller öffne. Eine Mischung aus altem Fisch, brackigem Wasser, zu lange feucht gelegenen Lappen und … Entschuldigung. Ich brauche wohl nicht fortzufahren. Haben Sie den Geruch in der Nase? Wenn ja, tut mir leid.
Ich trete ein. Es ist eng und dunkel, und wie Sie wissen, feucht. Kaum auszuhalten. Überall liegt altes Gerümpel rum. Schwarzer Schimmel kriecht an einigen nassen Kartons hoch. Sie strömen einen „kartonmäßig-schlammig-schwammig-beißenden“ Geruch aus. Der alte Sandstein gibt langsam der Feuchtigkeit nach und bröselt bei der leichtesten Berührung. Also versuche ich, nichts zu berühren, und setze einen Fuß vor den anderen. Hinten ist ein kleiner Holzverschlag. Vielleicht wurde hier Kohle gelagert. Dieser Holzverschlag ist die Krönung des Kellerschreckens. Hier wohnt die Art von Getier, die es feucht und dunkel und schmutzig liebt.
Während ich vorsichtig versuche, mich aufzurichten, ohne mit den Haaren in die Spinnenweben zu geraten, kommt mir eine Selbstaussage von Jesus in den Kopf:
„Ich bin das Licht der Welt.“
„Ja!“, rufe ich aus.
Hier wird das Evangelium so richtig praktisch. Ich brauche Licht in diesem düsteren Muffelkeller. Jesusmäßiges Licht. Und wie ich da so stehe und mich darüber freue, dass das Evangelium von Jesus so unglaublich praktisch ist, habe ich im Bauch so ein Gefühl, dass ich auch so einen Muffelkeller in mir drin habe.
Da hat eine Bombe eingeschlagen und durch die Verletzung tröpfelt bis heute das muffige Wasser in mein Kellerloch und vergiftet mich. Mich hat jemand unachtsam verkratzt. Ich habe Unrecht getan und es in meinen feuchten Keller gesteckt. Schön sortiert und archiviert. Ich brauche vergebendes Jesus- Licht in meinem Keller!
Und ich brauche Orte, an denen ich über meinen Keller und mein Scheitern sprechen kann. Orte des sanften Jesus- Lichts, an denen ich nicht verurteilt werde. Solch ein Ort ist für mich meine Sofagruppe. Als Pastor sage ich: Scheitern gehört in die Kirche und nicht vor die Kirche. Als Sofagruppen- Teilnehmer sage ich: Ich gehöre mit meinem Scheitern und mit meiner Freude in meine Gruppe. Hier bin ich zu Hause und kann meine Maske abnehmen. Ich brauche diese ehrlichen Orte!
Rückwärts verlasse ich den alten, muffigen Keller unter meinem Haus. Ich schließe die Tür. Ich gehe die ausgetretenen Stufen nach oben. Ich habe eine wertvolle Erkenntnis gewonnen. Bei Jesus kann ich im sanften Licht meinen eigenen Kellerschrecken ansehen, und meine Sofagruppe lässt mich das erleben. Danke, Gott! Und jetzt stehe ich wieder im Tageslicht. Schön.
Danke, ältere Dame aus dem Erdgeschoss! Danke, Sofagruppe! Danke, Jesus!