Streitkultur

Jan Hanser über die Kleingruppe „Familie“.

Neulich entstand beim Abendbrot in meiner Familie eine dieser traumhaften Diskussionen, über die ich noch monatelang schallend lachen kann. Einer meiner drei Söhne sagte zwischen zwei Bissen glücklich: „Leute, wir haben drei Konsolen! Ist das nicht geil? Ein NES, eine Wii und eine WiiU!“ Kurzes Schweigen. Dann meldete sich mein Großer zu Wort: „Quatsch! Das ist doch gar nichts! In meiner Klasse gibt es Jungs, die haben vier Konsolen!“ Er machte eine Pause und nahm sich in Ruhe eine Scheibe Salami, um die Aussage noch mal wirken zu lassen. Dann sagte er laut: „Und das sind Einzelkinder!“ „Wie schade!“ sagte meine Frau und blickte meine Jungs an. „Die haben ja gar niemanden, dem sie, wenn sie in Super Mario Kart abgezockt wurden, eine reinhauen können!“ Schweigen. Dann Lachen. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. So läuft es mit Brüdern. Mir gefällt das Bild. Nehmen Sie es bitte nicht wörtlich, aber es hat schon was, wenn Brüder und Schwestern im Herrn (Sie wissen, was ich meine. So haben Christen früher geredet) eine gute Streitkultur haben. Und wir brauchen sie auch. Für mich ist die Kleingruppe der Ort, wo auch mal gekämpft und kontrovers diskutiert werden darf und wo man sich auch mal „eine geben kann“, weil die Beziehung lange gewachsen ist.

Ich erinnere mich an eine Situation, die mich sehr berührt hat. Es war kurz nach der Bundestagsentscheidung zur „Ehe für Alle“. Die Meinungen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Die Diskussion wurde hitzig! Irgendwann sagte Tom laut in die Kleingruppe: „Genug geredet. Jetzt mal knallhart die Positionen auf den Tisch!“ Silvie schoss direkt los: „Ich habe Gott an diesem Tag um Vergebung gebeten für das Verhalten unserer Regierung.“ Volker erwiderte: „Ich habe diesen Tag gefeiert. Ich habe mich richtig für meine homosexuellen Freunde gefreut!“ In dieser Sekunde konnte man die Luft schneiden. Dann eine leise Stimme: „Wir sind so unterschiedlicher Meinung … und trotzdem können wir miteinander beten!“ Die Teilnehmer nahmen sich in den Arm.

Wie gut, wenn man Geschwister hat. Und wie gut, wenn man Jesus hat, der versöhnt. Kleingruppen sind Orte, wo sich Meinungen bilden können, weil wir streiten, diskutieren und am Ende doch zusammen beten. Wie gut, dass wir keine geistlichen Einzelkinder sind!

Hanser_Jan_HKMJan Hanser ist Pastor bei „unterwegs“, einem Gründungsprojekt im Bund Freier evangelischer Gemeinden, das stark auf Kleingruppen setzt.